Berichte zweier Praktikantinnen

Regelmäßig ermöglichen wir Schüler*innen verschiedener Schulen im Korczak-Haus ein Sozialpraktikum zu absolvieren. Im Juli 2021 hat Franca G., eine Schülerin der 11. Klasse der Freien Waldorfschule Freiburg-Wiehre, ein dreiwöchiges Sozialpraktikum gemacht. Ihren Bericht dürfen wir hier veröffentlichen: 

Das Korczak-Haus Freiburg

Das Korczak-Haus Freiburg wurde im März 1971 gegründet. Das Haus ist nach dem polnischen Militär- und Kinderarzt sowie Kinderbuchautor Janusz Korczak benannt. Dieser setzte sich vor allem stark für Kinder ein. Sein Engagement ging sogar so weit, dass er jüdische Kinder eines Waisenhauses bei der Deportation in ein Vernichtungslager begleitete, obwohl er dabei selbst ums Leben kam.

Das Korczak-Haus in Freiburg beinhaltet einen Kindergarten und eine Schule, welche Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Mehrfachbehinderungen zwischen dem 2. und 23. Lebensjahr besuchen können. Insgesamt werden ca. 48 Menschen im Korczak-Haus betreut, wobei es acht verschiedene Klassen bzw. Gruppen gibt.

Ebenfalls bietet das Haus einen Familienentlastenden Dienst (kurz FED) an, in welchem die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch außerhalb der Kindergarten- und Schulzeit betreut werden.

Die Janusz-Korczak-Schule wurde offiziell im Jahre 1973 von betroffenen Eltern ins Leben gerufen. Ihnen war es wichtig, eine Bildungsmöglichkeit für ihre Kinder zu schaffen, was ihnen auch gelang. Es wird noch weiter an einem Projekt in Freiburg gearbeitet, um behinderten Menschen ein Betreuungsangebot anzubieten. Im März 2021 kaufte der Korczak-Haus Freiburg e.V. das Hotel „Helene“ in Freiburg-Haslach, welches eine Wohngruppe für junge Erwachsene mit Mehrfachbehinderung auch nach dem Alter von 23 Jahren bieten soll.

Meine Klasse

Ich selbst habe meine drei Wochen Sozialpraktikum in der Werkstufe 1 verbracht, zu welcher sechs Jugendliche bzw. junge Erwachsene mit Mehrfachbehinderung im Alter von 17 bis 23 Jahren gehören, sowie ein Lehrerteam aus zwei Heilpädagoginnen, einer Physiotherapeutin und zwei Heilerziehungspflegerinnen.

 

Meine Aufgaben und der Tagesablauf

Morgens bin ich zwischen 8:30 und 8:45 Uhr zum Korczak-Haus gekommen. Anschließend habe ich in der Waschküche die Wäsche für den Tag geholt, das heißt, Lätzchen, Handtücher, Waschlappen, Spannbetttücher und Geschirrhandtücher. Nun haben wir alles für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen vorbereitet, Betten überzogen, aufgeräumt…bevor wir sie um ca. 9:00 Uhr von den Bussen abgeholt haben. Dann gab es den sogenannten Morgenkreis, bei welchem die Jugendlichen und jungen Erwachsenen von zu Hause erzählt haben. Dies taten sie mithilfe von Sprechtasten, auf welchen die Eltern aus der Ich-Perspektive ihres Kindes aufnehmen konnten, was ihr Kind am gestrigen Tag gemacht hatte oder eines sogenannten „Tobi-i“. Dies ist ein Computer, der mit den Augen gesteuert werden kann. Hier können die Eltern des jeweiligen Kindes ein Text auf den Computer schreiben, welcher dann durch einen Blick auf das bestimmte Feld ausgelöst wird.

Des Weiteren wurde der Tagesablauf mit dem Jugendlichen und jungen Erwachsenen besprochen, sowie der Tag und das Wetter.

Nach dem Morgenkreis gingen die Betreuten ins Pflegebad, wo sie gewickelt und frischgemacht wurden. Dabei durfte ich nicht mithelfen, weshalb ich in der Zwischenzeit mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die schon fertig waren oder noch warteten, spielte, ihnen vorlas oder zu trinken gab.

Was nun bis zur Mittagszeit stattfand, war ganz unterschiedlich. Manchmal spielte ich Cello vor (freitags auch immer noch zusammen mit einer Harfe) oder wir sangen etwas zusammen mit Gitarre. Ebenfalls gingen wir einmal die Woche gemeinsam einkaufen und backten oder kochten etwas Leckeres. Auch gärtnerten wir von Zeit zu Zeit auf der Terrasse, wobei wir die Pflanzen umtopften und gossen oder wir gingen in den Schwarzlichtraum, um dort auf eine kleine Tour durch Freiburg mitgenommen zu werden. Dabei erfuhren die Jugendlichen und jungen Erwachsenen vieles über das Freiburger Münster, die Bächle, das Fußballstadion sowie die Straßenbahn.

Um ca. 12 Uhr war Mittagsessenszeit. Zu Anfang des Praktikums wurde mir eine junge erwachsene Frau zugeteilt, um die ich mich in den drei Wochen besonders kümmern durfte. So war es auch immer mittags meine Aufgabe, ihr Essen zu geben, ihr die Zähne zu putzen, Hände und Gesicht zu waschen und sie anschließend in einen Liegestuhl zum Ausruhen für die Mittagspause zu legen.

Während die Jugendlichen und jungen Erwachsenen Mittagspause machten, aß ich mit den Lehrern und Lehrerinnen zu Mittag und schrieb auf den Tobi-i aus Ich-Perspektive der jungen erwachsenen Frau, welche ich betreute, was sie an dem jeweiligen Tag alles gemacht hatte, über was sie sich gefreut hatte und antwortete auch auf den Text, welcher beim Morgenkreis schon vorgelesen wurde und welcher besagte, was die junge Erwachsene am gestrigen Tag unternommen hatte. Etwas auf den Tobi-i zu schreiben und sich in die Sicht der jungen Erwachsenen zu versetzen, machte mir immer viel Spaß.

Nach der Mittagspause zog ich der jungen erwachsenen Frau ihre Schuhe an und setzte sie wieder in ihren Rollstuhl. Während sie anschließend ins Bad ging, las ich den anderen Kindern wieder etwas vor oder spielte mit ihnen z.B. mit Bällen oder auch am Tobi-i, wo es u.a. ein Kennenlernspiel gab, was die jungen Erwachsenen sehr gerne mochten und worüber wir zusammen kommunizieren konnten. Auf dem Bildschirm waren verschiedene Kästchen mit unterschiedlichen Fragen angezeigt, die ich dann beantworten konnte, wenn der/ die Betreute auf das jeweilige Feld mit ihren Augen schaute. Des Weiteren zeigten mir die Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf ihrem Tobi-i gerne Bilder oder Videos von ihrer Familie und ihren Verwandten, ebenso wie ihre Lieblingsbücher, die sie sich durch den Tobi-i vorlesen lassen konnten.

Danach war es meist Zeit, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen für den Bus oder den FED fertig zu machen. Wir zogen ihnen ihre Jacken an und befestigten die Busgurte. Zum Schluss des Tages wurde dann immer ein Abschlusslied gesungen bevor wir alle zum Bus schoben und mein Arbeitstag beendet war.

 

Besondere Erlebnisse

1) Fußball spielen

In der ersten Woche meiner Praktikumszeit kam das SWR-Fernsehteam vorbei, um die Janusz-Korczak-Schule zu filmen. Die Klasse, in welcher ich war, sollte beim Fußball spielen gefilmt werden, passend zu ihrem Jahresthema „Freiburg und Umgebung“. Wir hatten eine Bahn aus Holz, mit Hilfe derer die Bälle durch einen kleinen Schups mit der Hand ins Tor rollen konnten. Die jungen Erwachsenen waren alle sehr aufgeregt und fröhlich und auch ich fand die Stimmung sehr ausgelassen. Es war schön, zu sehen, wie sich alle freuten, wenn der Ball ins Tor ging oder auch nicht (je nachdem :)) und das Miteinander zwischen allen Beteiligten zu spüren.

2) Musizieren

Das Musizieren für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen war immer ein sehr besonderer Moment für mich. Bereits beim Spielen der ersten Töne, konnte ich schon eine ganz besondere, einzigartige Stimmung wahrnehmen. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen lauschten ganz intensiv und aufmerksam der Musik, so, wie ich es noch nie bei Menschen ohne Behinderung erlebt hatte. Sie waren plötzlich ganz still oder sangen und spielten auf ihre Art mit mir mit. Dies zu sehen, machte mich jedes Mal sehr glücklich.

3) Kleine, schöne Momente

Besonders die kleinen, schönen Momente werden mir vom Sozialpraktikum noch lange in Erinnerung bleiben. So war es beispielsweise für mich ein ganz besonderes Erlebnis, als ich einem jungen Erwachsenen aus der Klasse Gedichte vorgelesen habe und er auf seine Art mitgesprochen hat und immer wieder anfangen musste, zu lachen. Diese kleinen Interaktionen mit jungen Erwachsenen, wie beispielsweise ein kleines Lächeln, eine Antwort oder eine Geste mit den Händen, haben mich immer sehr berührt und mich den jungen Erwachsenen nähergebracht.

Fazit

Die drei Praktikumswochen an der Janusz-Korczak-Schule waren für mich eine wunderschöne Zeit, an die ich immer gerne zurückdenken werde. Ich war überwältigt von der Offenheit und dem Vertrauen, welches mir entgegengebracht wurde. Dadurch war es mir möglich, soviel aus dem Praktikum mitzunehmen und viele tolle Erfahrungen zu machen. Durch die nette, hilfsbereite und geduldige Art des Teams und das tolle Miteinander, was ich erleben durfte, freute ich mich auf jeden Tag, den ich dort verbringen durfte. Auch die jungen Erwachsenen der Klasse sind mir sehr ans Herz gewachsen, so dass ich es sehr schade fand, als ich mich nach den drei Wochen wieder verabschieden musste. Nun wäre ich gerne noch länger dortgeblieben, denn meiner Meinung nach ging die Praktikumszeit viel zu schnell vorbei. Jedoch bin ich sehr dankbar, dass es möglich war, mein Praktikum dort zu verbringen und hoffe sehr, dass ich eines Tages alle wiedersehen werde.

Ende

Herzlichen Dank an Franca für diese einfühlsame Sicht auf ihr Sozialpraktikum.

strich

Lea, die von September ´15 bis März ´16 ihr Heilpädagogik - Praxissemester im Kindergarten des Korczak-Hauses gemacht hat, hat einen Bericht über diese Zeit geschrieben:

Mein Praktikum im Korczak-Haus

„Praktikum im Kocrzak-Haus? Also das wäre mir ein bisschen zu krass“ war oft die Reaktion meiner Freunde, wenn ich von meiner Praktikumsstelle berichtete.

Warum eigentlich? „Ist das nicht komisch, wenn du mit den Kindern sprichst und sie dir nicht antworten?“ Bei der Frage muss ich immer lachen. Denn dass die Kinder mir nicht antworten, stimmt nicht. Man muss nur bereit sein, sich auf ihre Art der Kommunikation einzulassen, um sie zu verstehen. Und die ist bei jedem Kind so einzigartig wie das Kind selbst.

Im Korczak-Haus hatte ich das Glück, so viele verschiedene Persönlichkeiten kennen lernen zu dürfen, wie selten irgendwo zuvor. Denn während in unserer Gesellschaft oft danach gestrebt wird, so zu sein wie alle anderen, ist das Korczak-Haus ein Ort, an dem jeder so sein darf wie er ist, mit all seinen Besonderheiten.

Ein Ort voller Lebensfreude, die jeder spüren kann.

Sei es beim Trommeln, wenn die Schüler sich an der Musik erfreuen, beim Toben mit den Kindern aus der inklusiven Kita Mausezahn oder einfach wenn man von einem Schüler, dem man auf dem Gang begegnet angestrahlt wird.

Dass ich vor meinem Praktikum kaum Erfahrung mit Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen hatte, stellte überhaupt kein Problem dar.  Mit viel Geduld wurde ich von meinen Arbeitskollegen eingearbeitet und erlebte, wie meine Beziehung zu den Kindern Tag für Tag intensiver wurde. Was am Anfang noch schwierig erschien, wurde zusehends leichter, je mehr Vertrauen die Kinder zu mir fassten.

Die Arbeit generell erlebte ich als sehr bereichernd. Während man im Alltag oft von einem Termin zum nächsten hetzt, ticken die Uhren im Korczak-Haus anders. Man lernt, sich dessen bewusst zu werden was man tut, im Moment zu leben und Kleinigkeiten zu schätzen.

Besonders eingeprägt haben sich mir, neben den vielen kleinen wunderbaren Momenten, die ich mit den Kindern erleben durfte, die Feste, die im Korczak-Haus gefeiert wurden. Dadurch, dass immer versucht wurde, die Schüler mit all ihren Individualitäten einzubeziehen, waren die Feste jedes Mal ein bisschen anders als man es gewohnt war, aber gerade das hat sie zu etwas ganz Besonderem, Einzigartigen gemacht.

Von meinem Praktikum habe ich in vielerlei Hinsicht profitieren können. Ich habe nicht nur für mein Studium einiges gelernt, sondern bin auch um eine gute Portion Lebenserfahrung reicher, denn ich finde, dass nicht nur die Kinder von mir profitiert haben, sondern auch ich eine ganze Menge von ihnen lernen konnte. Sei es deutlich zu zeigen, wenn einem irgendwas nicht passt, oder einfach mal zu lachen, wenn einem die Straßenbahn vor der Nase weg fährt.

Allen, die mit dem Gedanken spielen, ein Praktikum im Korczak-Haus zu machen, kann ich auf jeden Fall empfehlen: Traut euch!

 

 

                                                                                                                                Lea Zinnecker